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Christopher Muller

Nimm es gelassen

Erschienen in »Christopher Muller«, Städtisches Museum Abteiberg Mönchengladbach, 1994

 

Meine Fotografien von Stilleben sind im Laufe der letzten vier Jahre entstanden. Sie zeigen vor allen Dingen gewöhnliche Haushaltsgegenstände, z.B. Eimer, Lampen und Stühle, wie sie in Geschäften oder zuhause zu finden sind. Ich interessiere mich für diese häuslichen Objekte, weil sie für einfache Funktionen und geläufige Verhaltensmuster stehen, um die sich offensichtlich ein großer Teil des täglichen Lebens dreht. Die von mir ausgesuchten Objekte sind durch einen spartanischen Gebrauchswert charakterisiert – es gibt nur wenig in ihrer Gestaltung, das nicht direkt auf eine praktische Nutzbarkeit ausgerichtet ist. Während der vergangenen vier Jahre habe ich eine Sammlung von über hundert Gegenständen zusammengetragen, von denen jedes mindestens einmal in einer Fotografie verwendet wurde. Mich fasziniert die Art, wie diese einfachen, banalen Objekte manchmal offenkundig ihr Schweigen brechen und eine Befindlichkeit evozieren oder reflektieren. Folglich wähle ich die Objekte unter der Bedingung aus, dass mir irgendein besonderes Merkmal aufgefallen ist, oder dass sie zu einem anderen Objekt passen, das sich bereits in meiner Sammlung befindet. Durch endlose Zeichnungen, und indem ich die Gegenstände in verschiedenen Gruppierungen ausprobiere, erforsche ich anschließend ihre formalen und funktionalen Eigenarten sowie ihr Verhältnis zueinander und zu der Leere um sie herum.

Die Objekte sind im allgemein vor einer weißen Wand auf einem grauen Boden angeordnet. Dies schafft einen neutralen und eindeutigen Hintergrund, vor dem die Komplexität des Arrangements ersichtlich wird. Die Perspektive der Fotografie entspricht in etwa einer frontalen Konfrontation mit den Gegenständen, wie in einer Begegnung im täglichen Leben sehr ähnlich ist. Die Fotos sind so weit vergrößert, dass die Objekte Lebensgröße haben (folglich können die Fotos sehr groß sein – je nach Umfang des Arrangements). Das Arrangement selbst ist gleichmäßig ausgeleuchtet, unabhängig davon ob es aus vier oder aus zwanzig Objekten besteht; keines der Objekte wirft einen starken Schatten, ist besonders hervorgehoben oder erhält eine hierarchische Sonderstellung innerhalb des Arrangements. Ich versuche nicht, "Bedeutung" zu erzwingen, indem ich einen Gegenstand auf unsachgemäße Weise manipuliere. Deshalb vermittelt das Arrangement den Eindruck von Gelassenheit, und die Objekte wahren, obwohl sie offensichtlich arrangiert sind, ihre Individualität.

Selbst innerhalb der Parameter dessen, was eine alltägliche Begegnung ausmachen könnte, bleibt überraschend viel Spielraum für "semantische" Auslegungen – Gegenstände, die an einem ungewohnten Ort zurückgelassen wurden, oder besondere visuelle Eigenschaften, wie etwa der Verlust der Räumlichkeit, wenn Objekte aus einem bestimmten Blickwinkel von der Kamera eingefangen werden,

Ich arbeite mit Objekte unterschiedlicher Größe – von kleinen Objekten, die sich in der Hand nehmen lassen, wie Zahnbürsten und Hämmer, bis zu großen Objekten mit Größenverhältnissen, die sich offenkundig an menschlichen Maßen orientieren, wie Stehlampen und Kommoden.

Im vergangenen Jahr habe ich einige Arbeiten gemacht, in denen das Arrangement in einem bestimmten, wieder erkennbaren Raum entstand und fotografiert wurde – ein Innenraum oder die Straße, - und manchmal habe ich einen Benutzer oder eine andere Person einbezogen. In diesen Bildern ist jeweils das vorderste Objekt im Vordergrund der Arrangement in Originalgröße. Das Arrangement befindet sich nicht länger innerhalb die verunklärten Grenzen eines weißen oder grauen Hintergrundes, sondern innerhalb eines Umraumes, der selbst Spuren eines unsteten Alltagslebens trägt – ein Fenster, eine Spalte in der Wand, die von Narben gezeichnete Fassade eines Gebäudes.

Der Wandel von einem nicht näher beschriebenen zu einem besonderen Ort, der die gleiche innerbildliche Bedeutung hat wir die arrangierten Objekte, verwischt die Grenzen zwischen dem was arrangiert ist, und dem, was einfach nur Hintergrund ist. Folglich ist das Motiv des Fotos nicht mehr ganz so deutlich wie in den kontemplativeren und klar geordneten Stilleben, was eine völlig andersartige emotionale Resonanz erzeugt. Mein Hauptanliegen bleibt jedoch stets gleich - es besteht darin, den Objekten oder Elementen – einem Stuhl oder umgedrehten Eimer - in einem gegebenen Arrangement oder einer Situation eine überraschende Wirkung zu verleihen, die zugleich evokative und suggestiv ist.


Übersetzung: Hannelore Kersting

 

Same Old Yucca, 1990/92, 150 x 106 cm, C-Print hinter Acrylglas

975 x 2596